Freitag, 11. September 2009

Mission M54 - Teil 13: Einfahren

Die ersten 100 km habe ich schon voll. Der Motor läuft einfach nur paradiesisch. Keine rasselnden Ringe, kein klappernder Kolben, keine polternde Kurbelwelle, kaum Vibrationen und seidenweicher Lauf. Derzeit singen die Zahnräder des Primärtriebes noch leicht, aber da die neu sind und sich erst noch Einlaufen müssen ist das auch ok.

Da das Thema Einfahren gerne zur Spezialwissenschaft erhoben wird, möchte ich hier mal einige Quellen zitieren. Man sollte übrigens auf jeden fall ganz einfaches vollmineralisches Öl benutzen. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass es beim Einfahren mit Halbsynthetiköl nicht so recht voran ging...
Den Anfang macht der Abschnitt "Einfahren" aus der Original Betriebsanleitung:

Die bewegten Teile des Motors benötigen eine gewisse Betriebszeit, um sich aufeinander einzuspielen. Diese Einlaufperiode erstreckt sich etwa über die ersten 500 Fahrkilometer. Während dieser Zeit sollte man den Motor besonders schonend behandeln und aufmerksam beobachten. Halten Sie vor allem das vorgeschriebene Mischungsverhältnis ganz exakt ein. Steigern Sie langsam, aber stetig die Belastung des Motors, schalten Sie herunter, sobald Sie merken, daß der Motor nicht mehr flott zieht. Und noch etwas: Fahren Sie Ihren Roller während der Einfahrzeit möglichst solo!


Markus Selmer schreibt auf seiner im Technikbereich recht informativen Webseite folgendes:

Dieses Thema wird teilweise regelrecht mystifiziert… Dabei geschieht beim Einfahren eines Motors nichts anderes als das sich die verschiedenen Bauteile aufeinander einlaufen. Dies ist, bedingt durch die verwendeten Werkstoffe mit ihren unterschiedlichen Eigenschaften, absolut notwendig. Einen Motor (schonend) einzufahren ist also wichtig! Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Kolben-/ Zylindergarnitur zu legen. Fertigungstechnisch ist es nicht möglich, zumindest bei den verwendeten Aluminiumkühlkörpern mit eingeschrumpfter GG-Laufbuchse und Aluminiumkolben eine Passung herzustellen, die auf Anhieb allen Lastzuständen standhält, sicher abdichtet und dann noch über 15.000 km standfest ist. Die Teile müssen diese Passung erst finden und das dauert seine Zeit.

Ein Kolbenring z.B. wird im Neuzustand noch nicht zuverlässig abdichten, weil 1. er selbst und 2. die Laufbuchse nicht 1000%ig rund sind. Dies ist einer der Gründe, warum in der Einfahrzeit mit einem erhöhten Ölanteil gefahren werden soll, das Öl hat eine abdichtende Funktion. Beim Kolben selbst sieht es nicht viel anders aus. Er wird seine Form im Betrieb durch Hitzeeinwirkung erheblich verändern, genau wie die Laufbuchse, wenn auch nicht so stark (Temperaturverzug). Es entstehen also Stellen an denen mehr Reibung auftritt und damit einhergehend Hitze. Ein weiterer Grund in der Einfahrzeit mit erhöhtem Ölanteil zu fahren ist die kühlende Wirkung des Öls.

Wer jetzt also gleich von Anfang an Vollgas fährt, weil er gehört hat, dass diese ganze Einfahrerei Quatsch sei, der wird zunächst einmal feststellen, dass sein Motor kaum Leistung hat, danach gibt es dann oft noch ein paar Klemmer, die gar nicht bemerkt werden (Zündaussetzer…?) und der Motor wird niemals seine angegebene Leistung erbringen. Die Standzeit wird sich auf einen Bruchteil reduzieren. Die größte Gefahr ist dabei der kapitale Kolbenfresser, dann wird es richtig teuer, weil davon ausgegangen werden muss, dass auch andere Bauteile, wie die Kurbelwelle zerstört werden. Von MOTO-SELMER regenerierte Zylinder müssen auf jeden Fall sorgsam eingefahren werden.

Wer anständig einfährt und auf seinen Motor „hört“, der wird mit einem kernigen und standfesten Motörchen belohnt.

Über die Länge der Einfahrzeit lässt sich keine genaue Aussage treffen. Normalerweise wird man irgendwo zwischen 300 Km und 1000 Km merken, dass der Motor wesentlich spritziger und spontaner am Gas hängt und höhere Drehzahlen möglich sind. Auch ist es möglich, dass der Leerlauf neu eingestellt werden muss, einfach weil das Fahrzeug im Leerlauf nun nicht mehr so viel Kraftstoff benötigt, wie in der Einfahrzeit. Überhaupt sollte man sich über die Vergaserfeineinstellung erst nach der Einfahrzeit Gedanken machen, sonst läuft man Gefahr in der Einfahrzeit jede Woche den Vergaser 8mal nachzustellen. Beim Einfahren ist einzig und allein wichtig, dass der Motor nicht zu mager läuft, dies ist unter allen Umständen zu vermeiden.

Einfahranleitung
In der Einfahrzeit wird 1:25 getankt. D.h.: auf 5l Benzin kommen 200ml MINERALISCHES 2 TAKT MISCHÖL. Kein Scooter Öl, kein synthetisches Öl, kein Bio Öl, kein Hochleistungs-Rennöl!) Ich empfehle (auch nach der Einfahrzeit) Stihl Öl, Elf Selfmix, Addinol MZ405. Das Fahrzeug wird schonend warm gefahren (besonders wichtig, wenn im Winter eingefahren wird).

Nicht zu zaghaft fahren, untertouren vermeiden, nicht zu früh schalten, der Motor erhält sonst zu wenig Innen- Kühlung. Den Motor nicht über seine Grenzen hinaus belasten. Mit etwas Gespür merkt man bis wohin der Motor willig Gas annimmt, darüber wird nicht gegangen. Ab Km 150 kurze Zwischenspurts mit Vollgas einlegen, jedoch nicht länger als 5 Sekunden Vollgas halten. Strecken mit häufigen Lastwechseln sind zu bevorzugen, also lieber Stadtverkehr als 2 Std. Landstraße.


Zum Schluss gibts noch die Einleitung aus Carl Hertwecks "Besser machen" (von 1961 und allgemein auf Motorräder bezogen):

Die ersten 100 Kilometer

Beim werksneuen Motor kein Problem. Man kann ihn - da er ja schon gelaufen hat - vom Fleck weg mit ziemlich viel Gas fahren. Richtwerte: In der Ebene im Vierten kann er mit 80% der Höchstgeschwindigkeit (bei uns wären das also ca 50 Km/h), sofern dazu nicht gerade Vollgas nötig ist. In Steigungen und bei viel Gegenwind ist die GEschwindigkeit gleichgültig, man zieht dann das Gas nur zu 2/3 auf, ganz gleich in welchem Gang und bei welcher Geschwindigkeit. Man fährt eben nicht Vollgas. Bummeln ist aber witzlos, damit tut man weder dem Motor noch sich selbst einen Gefallen, laufenlassen ist viel wichtiger, der Motor soll ja unter Last warm werden. Nach 25-30 Kilometern zieht man auf einem ebenen Stück mal Vollgas auf und achtet darauf, ob der Motor dieses Vollgas "annimmt", ob er also lebhaft anzieht und beschleunigt.
Fabrikneue Motoren werden das tun.
Ausgeschliffene und erstmal zusammengebaute Motoren werden das meist nicht tun - der Motor beschleunigt zwar, aber sehr müde. Dann wieder Gas zurück auf 2/3 und noch mal 25-30 km obendrauf setzen. Dann wieder Vollgas - da wird er schon wesentlich lebendiger wegziehen, denn nach 55-60 km tragen die Kolbenringe schon rundum, wenn auch vielleicht noch nicht überall in der ganzen Höhe.
Hat der Motor diesen Beschleunigungsversuch mitgemacht, dann lässt man das Gas mal eine ganze Minute lang voll offen - zwei Finger auf der Kupplung und ein Ohr in Richtung Motor, damit man gut hört ob er den Ton ändert oder gar klemmen will - dann natürlich schleunigst Gas weg und auskuppeln. Aber auch nach einer glatt verlaufenen Vollgasminute Gas wieder auf 2/3 zurück, denn jetzt ändert sich die Fahrtaktik.

Falls die erste Vollgasminute vertragen wurde:

1-2 Kilometer mit 2/3 Gas, dann wieder eine Minute voll. Wieder zwei km mit 2/3 Gas, wieder eine Minute voll. Man wird nach einem halben Dutzend solcher Spielchen - die rund 25 km in Anspruch nehmen - feststellen, dass der Motor von mal zu mal mit mehr Schwung wegzieht. Darauf lässt man Vollgas mal länger als eine Minute stehen, sagen wir mal zwei. Finger immer an der Kupplung und Ohr nach vorn. Es ist Geschmackssache, ob man danach noch Zweiminutenspielchen und Dreiminutenspielchen exerzieren will - ein höherer Ministralbeamter bringt das vielleicht fertig. Ich hatte dazu noch nie die Geduld. Wenn bei mir ein Motor im Laufe der der ersten paar Minutenspiele immer lebendiger wurde, dann ließ ich noch immer - also gegebenefalls schon nach 50 - 60 Gesamtkilometern - Vollgas gleich für mehrere Minuten stehen, vor allem auf der Autobahn. Meist vertrugen die Motoren dieses Dauervollgas anstandslos, zuweilen wurden sie auch deutlich erst mal müde und änderten den Ton. Dann natürlich weg mit dem Gas, ein paar Minuten 2/3 Gas, dann aber wieder langzeitig voll. Immer mit dem vorsichtigen Finger an der Kupplung, Ohr nach vorn. Bis die ersten 100 km voll sind.

Falls die Vollgasminute nicht vertragen wurde:

Bei fabrikneuen Motoren ein böses Zeichen, da sitzt ein Wurm drin. Bei ausgeschliffenen Zylindern fast (aber nur fast!) die Regel. Da hilft dann nichts als noch mal 25-30 km mit 2/3 Gas. Und erneuter Versuch mit Vollgasminute. Wird sie jetzt vertragen, reatiert der Motor also mit deutlicher Beschleunigung, dann wird weiter verfahren wie vorhin beschrieben. Also zwei bis drei bis sehr viele Vollgasminuten. Ist noch keine deutliche Beschleunigung da, dann noch mal 30 geduldige 2/3 Gas km. Ist aber auch nach 100 km noch keine deutliche Beschleunigung bei Vollgas da, dann stimmt entweder die Zündung nicht, oder der Vergaser. (Vorrausgesetzt, dass Kurbelwelle und Getriebe in Ordnung sind, udn da beim Bauen nichts vermauert wurde!)
Wichtig ist allein, dass der Motor von 2/3 Gas bis Vollgas lebhaft anzieht. Dazu muss er gebracht werden, dann erst darf das Spiel mit den mehreren Minuten Vollgas gespielt werden.


Ich würde sagen, Herr Hertweck geht hier in seiner typisch hemdsärmeligen Art recht forsch zu Werke. Man kann aber den allgemeinen Tenor erkennen: Nicht schleichen, nicht heizen, und vor allem nicht die ganzen 500km nur Halbgas fahren. Zwischendruch kann man ruhig mal am Gas drehen und herausfinden wie es um die Kolbenringe bestellt ist. Immer schön mit hörendem Ohr und Gefühl fahren, dann wird das auch. Zum Einfahren ist weder eine Scientology Mitgliedschaft noch sonstwelcher Hokuspokus notwendig.

1 Kommentar:

Flo hat gesagt…

Na dann viel Erfolg beim einfahren.